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Das Innere eines kreisrunden
Bauwerks. Sechs Öffnungen in den Wänden und eine in der Decke (oder
ist es der Boden?) bieten einen Ausblick auf verschiedene Szenen und
auch über die Mauern hinweg erblickt man die Landschaft. Kommunistische
Symbole wie rote Sterne, rote Fahnen sowie Hammer und Sichel sind wie
auf kleinen Altären im Gelände angeordnet. Durch die drei unteren Öffnungen
des Gebäudes blickt man auf einen halbtransparenten Lenin, und zwar
dreifach und von unten. Er formt sich aus pflanzenartigen Strukturen vor
einem dunklen Himmel mit roter Dämmerung zum imaginären Horizont hin.
Dagegen blickt man durch die drei oberen Öffnungen ebenfalls drei Mal
auf Lenin, nur diesmal von oben. Die Perspektiven sind also vertauscht,
aber durch jedes Fenster sieht man das Gleiche, nämlich Lenin, wenn
auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Der Künstler will damit die
russisch-kommunistische Sichtweise der Dinge veranschaulichen, die den
Parteiführer ins Zentrum jeder Betrachtung stellte, nicht nur
hinsichtlich Staatsführung und Politik, sondern auch auf allen anderen
Gebieten einschließlich der Wissenschaft. Überall hatte er das Sagen,
seine Ansicht war das Evangelium. Dieser umfassende Einfluss steigerte
sich unter Stalin weiter, er erhob auch noch den Anspruch auf die
Reglementierung der Kunst. Der Begriff des Sozialistischen Realismus
wurde geprägt, verordnet und kontrolliert. Daher steht Stalin auch auf
dem vorliegenden Bild im Mittelpunkt, und zwar in einer Variation eines
der eindrucksvollsten Werke dieser Kunstrichtung. Es handelt sich um das
Bild „Rosen für
Stalin“ von Boris Vladimirski, eines anerkannten ukrainischen Künstlers
(1878 – 1950), der vor allem in Moskau aktiv war. Das Originalbild
befindet sich in der Sammlung politischer Kunst von Werner Horvath. Es
wurde in zahlreichen Lehrbüchern, unter anderem in der Bundesrepublik
Deutschland, in den USA und Kanada als Paradebeispiel für die
Propagandakunst Stalins abgedruckt. Vladimirski zeigt den Herrscher, den
Blick in die Ferne gerichtet, seine Hand freundschaftlich um die
Schulter eines kleinen Jungen gelegt. Ein anderer Junge streckt ihm
einen Strauß roter und weißer Rosen entgegen. Dieser und der
vorwiegend blaue Feldblumenstrauß des Mädchens daneben setzen einen
Kontrapunkt zum Weiß von Stalins Anzug. Stalin wirkt weise und doch
sympathisch; bei dem Bild handelt es sich eben um ein propagandistisches
Meisterstück. Horvath dagegen dekonstruiert das Werk. Zwar bleiben die Formen zum Teil erhalten, aber der ästhetische Anspruch kehrt sich ins Gegenteil. So sind etwa genau diejenigen Strukturen, die das Gesicht Stalins bilden, in einem schmutzigen Grün gehalten – alles andere als sympathisch wirkt er nun, falls man ihn überhaupt noch erkennt. |