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Werner Horvath: "Ein Quadratmeter Leninismus und Stalinismus". Öl auf Leinwand, 100 x 100 cm, 2003.

Das Innere eines kreisrunden Bauwerks. Sechs Öffnungen in den Wänden und eine in der Decke (oder ist es der Boden?) bieten einen Ausblick auf verschiedene Szenen und auch über die Mauern hinweg erblickt man die Landschaft. Kommunistische Symbole wie rote Sterne, rote Fahnen sowie Hammer und Sichel sind wie auf kleinen Altären im Gelände angeordnet. 

Durch die drei unteren Öffnungen des Gebäudes blickt man auf einen halbtransparenten Lenin, und zwar dreifach und von unten. Er formt sich aus pflanzenartigen Strukturen vor einem dunklen Himmel mit roter Dämmerung zum imaginären Horizont hin. Dagegen blickt man durch die drei oberen Öffnungen ebenfalls drei Mal auf Lenin, nur diesmal von oben. Die Perspektiven sind also vertauscht, aber durch jedes Fenster sieht man das Gleiche, nämlich Lenin, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Der Künstler will damit die russisch-kommunistische Sichtweise der Dinge veranschaulichen, die den Parteiführer ins Zentrum jeder Betrachtung stellte, nicht nur hinsichtlich Staatsführung und Politik, sondern auch auf allen anderen Gebieten einschließlich der Wissenschaft. Überall hatte er das Sagen, seine Ansicht war das Evangelium. 

Dieser umfassende Einfluss steigerte sich unter Stalin weiter, er erhob auch noch den Anspruch auf die Reglementierung der Kunst. Der Begriff des Sozialistischen Realismus wurde geprägt, verordnet und kontrolliert. Daher steht Stalin auch auf dem vorliegenden Bild im Mittelpunkt, und zwar in einer Variation eines der eindrucksvollsten Werke dieser Kunstrichtung. Es handelt sich um das Bild „Rosen für Stalin“ von Boris Vladimirski, eines anerkannten ukrainischen Künstlers (1878 – 1950), der vor allem in Moskau aktiv war. Das Originalbild befindet sich in der Sammlung politischer Kunst von Werner Horvath. Es wurde in zahlreichen Lehrbüchern, unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland, in den USA und Kanada als Paradebeispiel für die Propagandakunst Stalins abgedruckt. 

Vladimirski zeigt den Herrscher, den Blick in die Ferne gerichtet, seine Hand freundschaftlich um die Schulter eines kleinen Jungen gelegt. Ein anderer Junge streckt ihm einen Strauß roter und weißer Rosen entgegen. Dieser und der vorwiegend blaue Feldblumenstrauß des Mädchens daneben setzen einen Kontrapunkt zum Weiß von Stalins Anzug. Stalin wirkt weise und doch sympathisch; bei dem Bild handelt es sich eben um ein propagandistisches Meisterstück. 

Horvath dagegen dekonstruiert das Werk. Zwar bleiben die Formen zum Teil erhalten, aber der ästhetische Anspruch kehrt sich ins Gegenteil. So sind etwa genau diejenigen Strukturen, die das Gesicht Stalins bilden, in einem schmutzigen Grün gehalten – alles andere als sympathisch wirkt er nun, falls man ihn überhaupt noch erkennt.